Spielbericht Supercup
(von David "Goethe" Schmitz)
Wir haben Geschichte geschrieben. Mit „wir“ meine ich die Mainzer Millos und die
Frankfurter Kickers. Mit „Geschichte“ meine ich die Erstauflage eines
bundesländerübergreifenden Supercups. So sind also der Meister der Bunten Liga
Rheinhessen und derjenige der Bunten Liga Frankfurt am Samstagabend
aufeinandergetroffen.
Seit drei Monaten waren wir heiß auf diesen Tag. Ich erinnere mich gern an die Pausen in der
Schule, in der ich mit PeKo arbeite. Die Kolleginnen und Kollegen und Schülerinnen und
Schüler stehen Schlange bei „Herrn Kowatschew“ und wollen dies und jenes. Ich stehe dann
meistens neben unserem Keeper, drehe mir ne Kippe für die kurze Pause und beschäftige
mich mit dem einzig wirklich überarbeiteten Mitglied des Kollegiums: der Kaffeemaschine.
„Peter, ich habe hier noch einen Antrag auf…“
„Herr Kowatschew, schreiben wir morgen …“
„Peter, das Kollegium möchte…“
Und was antwortet PeKo?
„Jetzt nicht!“
„Nicht jetzt!“
„JETZT NICHT!“
Dann dreht er sich zu mir:
„David, in zweieinhalb Monaten ist es so weit! Ich glaube, die Jungs sind fit – habe
vorhin ein Bild von ihnen erhalten. Serienmeister sind die, David. Das wird das Spiel
des Jahres! Das Spiel wird in Sachsenhausen stattfinden, wie geil ist das denn? Blick
auf die Skyline, umringt von Kneipen. Dass wir da spielen dürfen, das ist doch der
absolute Wahnsinn!“
Dann klingelt’s meistens auch schon. Die drängenden Fragen wurden beantwortet.
Drängende Fragen… die mussten wir uns dann auch wöchentlich bis zum Supercup-Spiel
stellen. Wer kommt mit nach Frankfurt? Mit unserem stark überfüllten Lazarett (Maxi, Femo,
Himmelreich, Sieben, Tomer, Tom, Oli, Mo…) hatten wir nicht viele Möglichkeiten, sogar
einen Engpass. Dazu kamen noch Spieler mit anderweitigen Aufgaben: Mel musste das
Oktoberfest auf Leber und Nieren prüfen, Anton war als Delegierter der Millos zum Topspiel
Scheissekusen gegen nicht-mal-vize-Bayern gereist, Müller, Grafen, Graffa konnten aus
Trauer über die Niederlage der Mainzer gegen Heidenheim nicht mehr mit nach Frankfurt.
Drängende Fragen… die musste sich aber auch und vor allem unser Flugkapitän Armin
stellen: Mit der Freundin nach Mailand? Ein romantisches Wochenende mit Pizza und Vino,
ein Abstecher ins San Siro, den Mailänder Duomo betrachten? Schnell war ihm klar, dass wir
Millos ihn diesem Samstag mehr brauchten als die italienische Mode-Metropole, also ging es
statt mit dem Jet in die Lombardei mit der S-Bahn nach Sachsenhausen (die Freundin konnte
dann auch nicht widerstehen und kam hinterher – logisch!)
Insgesamt also knapp zwei erste Mannschaften, die nicht mit zur Erstauflage dieses
Formats kommen konnten – wer kam also mit, fragt sich der kundige Spielberichtleser.
Im Tor? PeKo, nach langwieriger Verletzung wieder ganz klare Nummer 1, außerdem das
Sprachrohr der Mannschaft.
Die Verteidigung? Nico, der seit 17 Jahren keinen Tag nicht Fußball gespielt hat. Besagter
Flugkapitän Armin, der lieber mit den Knien über Kunstrasen rutscht als den Autopilot auf der
Langstrecke einzuschalten. Ich, der diese Saison jedes Spiel für die Millos mitgemacht hat.
Im Mittelfeld? Fettah, der mir kürzlich beim Bestellen eines Döners half und dem
Verkäufer irgendetwas auf türkisch zugerufen hat. Der Döner kam dann mit mega viel extra
Fleisch – danke nochmal, Fettah Efendi!
Außen? El Lobo aka. Wolf Wölfenschneider. Es gibt nur eine Sache, die er nicht kann:
Altern. Außerdem noch Monsif, der marokkanische Knochen. Kein Sprint ist dem Jungen zu
lang, einfach ein Beißer.
Sturm? Batu, der geile Flugbegleiter. Kurz vor dem Flug nach Mauritius war für ihn klar,
dass er nochmal gegen den Ball treten musste. Also half er uns kurzfristig aus und machte ein
geiles Spiel! Und dann kam auch noch Lukas von den Royalisten dazu. Unangekündigt kam
er, um für die Ehre der Bunten Liga Rheinhessen zu kämpfen – tausend Dank nochmal!
So, knapp zwei Seiten geschrieben und noch kein Wort zum eigentlichen Spiel. Alles wie
immer also… tut mir Leid, macht aber auch einfach Spaß, euch am Geplänkel vor den Spielen
teilhaben zu lassen.
Und noch fang ich auch nicht an, über das Spiel zu schreiben, nochmal sorry! Erstmal der
Weg dahin – THE ROAD TO SACHSENHAUSEN. Wir sind in voller Millos-Montur
aufgebrochen. Am HBF in Mainz kamen bereits Passanten und fragten uns aus: „Wo spielt ihr
heute?“ „Gibt’s noch Karten?“ „Ein Autogramm für meine beiden Kinder, bitte!“
Fan-nah, wie wir sind, gingen wir natürlich auf Fragen und Wünsche ein, blieben aber
doch im Fokus. Die S-Bahn-Fahrt wurde dann zu einer Fußballgeschichtsstunde mit Lehrer
Kowatschew: „Jungs, für den Fall, dass es heute ins Elfmeterschießen geht, müsst ihr noch
das hier sehen: Erinnert ihr euch, Europapokal Halbfinale 1987, Lok Leipzig gegen Girondins
Bordeaux? Der Keeper schießt den letzten Elfer, Vollspann in den Winkel! Das müsst ihr euch
mal vorstellen, VOLLSPAN. IN. DEN. WINKEL.“
Natürlich erinnerte sich keiner von uns an dieses sagenumwobene Spiel… trotzdem haben
alle auf PeKos Handybildschirm geschaut und gestaunt. Angekommen in Sachsenhausen sind
wir dann mit Koffern und Rücksäcken zum Spielfeld gelaufen, wie Profis das eben machen
(sh. KSC-Spieler vor dem Spiel gegen Köln am Sonntag).
Dort angekommen atmeten wir Supercup-Luft. Samstagabend, Primetime, Flutlicht,
Skyline… mehr kann man sich nicht wünschen. Demütig gingen wir also zum Spielfeld und
zogen uns um, kurze Zeit später trudelten dann die Frankfurter Kickers ein. Wir in blau, die in
rot.
Nach dem Aufwärmen versammelten sich alle Fußballer um den Mittelkreis herum, hielten
kurz inne und hörten dann den beiden Hauptorganisatoren zu: PeKo und Felix bedankten sich
bei allen, die gekommen waren, ich überreichte dann noch unseren Wimpel an die Kickers,
der Pokal stand in unserer Mitte. Am Spielfeldrand drängten sich die Zuschauer: Maxi und
Freundin, Christina mit Taktiktafel, Armins und Monsifs Damen, Tom und sein Hüftproblem.
Dann endlich: Anpfiff!
Die ersten 10-15 Minuten waren wir komplett überlegen. Passstafetten, lange Bäller, Kurz-
Klatsch… aber wir kamen nicht durch gegen die tiefstehenden Kickers. Ich knallte den Ball
einmal ans Außennetz, das wars aber auch schon. Dann ein ärgerlicher Fehler in unserem
Spielaufbau, Konter, Gegentor. So einfach und so brutal ist der Fußball eben. 0:1 lagen wir
jetzt also hinten. Bis zur Halbzeit ist dann auch nichts mehr passiert. Aber wir sind
Millonarios, wir kämpfen immer weiter! Außerdem hatte Christina einen Geistesblitz: „Jungs,
ihr spielt viel zu wenig über die Außen, deren Außenverteidiger spielen invers, also machen
die euch die Flügel komplett frei. Am besten kippt Batu diametral ab, wird zur falschen Neun!
Monsif und Lobo müsst ihr Longline anspielen, in den Rückraum ablegen und dann macht ihr
auch die Tore! Also VAMOS MILLOS, weiter geht’s!!!“
Kaum ging die zweite Hälfte los, wurde einer unserer Spieler am Strafraumrand gefoult.
Lobo, der schlitzohrige Futsaler, kennt geile Freistoßvarianten. Also wies er Fettah an, sich im
Halbraum freizulaufen. Kurzer Pass, Schuss, Tor. 1:1! Wir waren wieder da. Und dann das
schönste Tor des Abends, genau so, wie Christina es gesagt hatte: Peko spielt mich hinten
rechts an, ich gehe am pressenden Stürmer der Kickers vorbei, spiele auf den abgekippten
Batu, der schickt Monsif, der legt auf Lobo ab, Tor! Ein Spielzug wie aus Peps Kleinfeld-
Träumen. Einfach geil! 1:2 für uns!
Wir hatten danach noch weitere Torchancen, waren aber zu schludrig. Daneben, gehalten,
geblockt… wir konnten einfach nicht nochmal treffen. Und natürlich geschah dann, was
immer geschieht: man bekommt sie hinten! Ein Weitschuss, den PeKo wegen der ungünstigen
Lichtverhältnisse klatschen ließ, dann der Abstauber. Bitter für uns, aber die Kickers wollten
diese Kiste einfach.
Nach 60 Minuten stand ein 2:2. Das hieß Verlängerung, auch wenn PeKo – in Reminiszenz
an Lok Leipzig gegen Girondins Bordeaux – schon das Elfmeterschießen wollte. Aber das
entsprach nicht dem Regelkatalog. Also nochmal 20 Minuten Fußball.
Wieder hatten wir Gelegenheiten, wieder nicht genutzt, wieder kassiert. Die Kickers kamen
über den Flügel, wir hatten den Angriff dann eigentlich schon wegverteidigt. Irgendein Kicker
hatte dann aber seine Hacke am Spielgerät, das dann zum vor dem Tor lauernden Stürmer
gelangte, der dann einschob. 3:2, noch 8 Minuten. Wir probierten alles, liefen an, kämpften
aber gegen Windmühlen. Wir kamen einfach nicht durch. Und dann war dieses denkwürdige
Spiel auch schon vorbei. Mit gesenkten Köpfen gingen wir zu Boden. Was wir aber auch
verspürten: Dankbarkeit, hier dabei gewesen zu sein! Also klatschten wir die Kickers ab,
gratulierten ihnen, bedankten uns auch bei ihnen. Das war einfach ein geiles Spiel.
Nachdem wir den Pokal überreicht hatten, gingen wir in den Duschtrakt. PeKo föhnte sich
den Geruch der Niederlage vom Astralkörper und wir verschwanden daraufhin geschlossen im
Kneipenviertel Sachsenhausen. Da überlegten wir uns, einfach so zu tun, als hätten wir
gewonnen. Das hat auch geklappt, bis spät in die Nacht machten wir das Oberbayern unsicher
und verewigten uns mit zahlreichen Stickern.
Ich muss jetzt schnell wieder in den Unterricht, sonst würde ich noch weiter schreiben. Es
hat einfach Bock gemacht und wir alle hoffen, dass dieses Format mindestens in der Form
bleibt – oder sogar noch ausgeweitet wird. So viel Fußballromantik ist einfach schön, dafür
machen wir das ganze ja.
An die Kickers nochmal einen herzlichen Glückwunsch! Wir sehen uns wieder!
VAMOS MILLOS